Nun sind wir beide erkältet und haben nach 2 Rumsumpftagen genug von schneebedeckten Feldern. Ich muss langsam mal in eine Stadt, in der ein paar bunte Häuser zu sehen sind. Wittenberg, die
Lutherstadt bietet sich an, also fahren wir los und sind in nur 20 Minuten da. Zunächst muss man allerdings noch eine scheußliche Straße hinter sich bringen, an der rechts und links ein sehr
langes und aus vielen Schornsteinen qualmendes Industriegebiet liegt.
Vom Parkplatz aus nur ein paar Schritte und wir stolpern fast über das Schloss, an das die pompöse Schlosskirche einfach drangeklebt scheint. Leider ist der Kirchenkomplex mit einem Bauzaun
umgeben und auf einem Schild wird darauf hingewiesen, was bis 2017 alles gemacht werden soll. Die Liste ist entmutigend lang, aber 500 Jahre Thesenanschlag an die Kirchentür müssen schließlich
gefeiert werden und da muss die Kirche auch von innen glänzen. Ich möchte nicht wissen, was für Menschenmassen sich dann Richtung Schlosskirche und Museum wälzen werden... schon heute sehen wir
einige Reisegruppen, die durch die Lutherstadt pilgern. Eine davon sieht asiatisch aus, aber ihre Sprache klingt eher nach irgendwas Russischem...
Im Museum wird mir nochmal klar, was ich damals wohl in der Schule schon gelernt, aber heute nicht mehr so wirklich gehirnpräsent hatte; Luther war schon ein recht progressiver Mann. Das
Mönchsein gab er für Katharina auf und sie nahm sogar an den Gesprächen mit all den Gelehrten teil, die sich in seinem Haus einfanden. Das war damals sicher nicht Usus. Besonders beeindruckend
fand ich all die dicken Bücher, die er selbst geschrieben hat. Mit der Hand wohlgemerkt. Dick, schwer und staubig stehen sie da und ringen mir Bewunderung ab. Die Thesen, mit denen er die
Gläubigen damals vom Joch der katholischen Kirche und besonders vom Irrsinn des Ablasses befreien wollte, sind schon mutig und modern gewesen. Man muss gerecht sein, und das mal mit Augen von
damals sehen. Augen, die nie ein Buch gelesen haben, weil es keine Bücher gab, die sich angstvoll beim Gedanken an das Fegefeuer geweitet haben, die zu Boden blickten wenn sie einen höheren
Herren sahen, die glanzlos waren vor Hunger, denn der größte Teil der Ernte war mal wieder abgegeben worden und das eben aus genau diesen Ängsten.
Nach einer guten Stunde Belehrung, Staunen, Historie und Respekt finden wir uns wieder auf der Straße, finden ein feines Café im Cranach-Hinterhof, Leo findet den Whiskey dort preiswert und gut,
ich finde Leo sehr verschnupft und wir finden, dass wir nach Hause fahren sollten.
Die Hundertwasserschule muss bis zum nächsten Mal auf uns warten. Die finden wir nämlich nicht auf Anhieb.
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