Was ist Bauhaus? Was Eckiges, was Stylisches, klassisch und immer wieder angesagt, minimalistisch auch. Viel mehr wusste ich darüber nicht. Ich ahnte allerdings, dass diese komischen Stühle mit dem Stahlrohr, die damals in der Wohnung meiner Oma gestanden haben und die so gar nicht in eine Omawohnung passen wollten, irgendwas damit zu tun hatten. Thonetstühle seien das, sagte meine Mutter. Der Name dieses Holzverbiegenden Stuhlherstellers begegnete mir erst Jahrzehnte später wieder.
Als Michael in der Ferienwohnung ein Buch über Bauhaus entdeckte und ich darin las, dass auch Klee und Kandinsky dabei waren, wurde ich hellhörig. Die haben in Dessau gewohnt und ihre Wände bunt gestrichen? Das wollte ich sehen. Dessau ist nicht weit und uns ist eine Innenaktivität bei diesem Wetter sowieso recht.
Wir parken am Bahnhof und laufen zum großen Bauhausgebäude. Ich weiß, dass dieser Gebäudekomplex schon 1925 entstand und bin trotzdem überrascht von dem überaus modern anmutenden Klotz-an-Klotz. Soviel Glas, so viel gerade Linien! Alle Häuser drumrum, die später erbaut wurden, sehen deutlich älter aus. Das ist schon verblüffend. Himmel und Bäume spiegeln sich in den Fassaden und lassen die Klötze leicht erscheinen. Walter Gropius hat die Pläne gezeichnet für diese Kunst-, Design- und Architekturschule.
Ich will da rein. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber meine Neugier siegt über den Schreck, den die hohen Eintrittspreise verursacht haben. Aber Gropius ist ein großer Name und da darf es gerne etwas mehr sein, oder? Innen sehen die Flure (und mehr konnte man sowieso nicht sehen) genauso aus, wie die Flure damals an meiner Uni. Vielleicht war die auch Bauhaus? Nein, nicht so ganz - ich lasse die Ironie mal besser weg. Es ist gepflegter und größer und viel heller, aber am Ende eines jeden Ganges, den keine Bilder oder sonstiger Zierrat schmücken, steht man immer vor einer verschlossenen Tür. In einem unerträglich warmen Raum ist eine Ausstellung zu sehen, aber fotografieren dürfen wir dort nicht. Zwei Gründe um gleich wieder rauszugehen. Im Keller noch eine kleine Ausstellung. Dort treffe ich Omas Möbel wieder! Aber knipsen ist auch hier untersagt. Bleibt noch eine Caféteria, die Lounge heißt. Passt nicht und ich fange an, das alles für übertrieben zu halten. Ich möchte jetzt was Handfestes, wie zum Beispiel das Treppengeländer berühren, das schon Paul Klee angefasst hat und ich möchte wissen, in welcher Farbe es gestrichen ist. Ich möchte sehen, wie man in den Häusern wohnte, die so zweckmäßig und modern gewesen sind, so komfortabel und hell, wie es wohl sonst kein Haus in der damaligen Zeit war - jedenfalls nicht das Haus eines Normalbürgers.
Wir betreten das erste der 3 schnörkellosen Doppelhäuser. Gleich im Treppenhaus hat man das Gefühl, in einem großen Kinderhaus zu sein. Die Wände sind tatsächlich vollflächig hellgelb, der Handlauf des Treppengeländers ist knallrot. Es hat etwas kindliches und ich denke unwillkürlich an Klees und Kandinskys Bilder...Jedes der relativ kleinen Zimmer ist in einer anderen Farbe gestrichen, Möbel stehen nicht in den Räumen und das Fehlen von Pflanzen, Büchern und Möbeln lassen die Räume relativ kühl wirken... oder sind das die Farben? Ich mag auch keine weißen Wände mehr, aber diese Farben finde ich gewöhnungsbedürftig. Grundfarben wie aus dem Baukasten, nur hin und wieder mal was gemischtes wie ein kleines lila oder in einem der Schlafzimmer für Frau Klee oder Frau Kandinsky ein warmes Goldbraun. Einen Ausreißer gibt es allerdings; ein Schlafzimmer, das komplett schwarz gestrichen ist, inklusive der Decke. Auf dem Fensterbrett liegt ein Schriftstück. Ein Besucher oder Bewohner - genau weiß ich es nicht mehr, hat seine Erfahrung von der ersten und einzigen Nacht in diesem Zimmer aufgeschrieben. Es wurde danach als Aufbewahrungsraum für Koffer und Krempel benutzt. Diese Dinge sind nicht farbempfindlich.
Die Häuser haben einige Dinge gemeinsam, die absolut praktisch sind, oder auch unschön, oder beides... alle Küchen haben eine Durchreiche zum Esszimmer, Heizungen im Bad sind ganz oben fast an der Decke über der Badewanne angebracht, einige Fenster sind so hoch angebracht und so schmal, dass man nicht hinaussehen kann. Stellplatz an der Wand war wichtiger als Ausblick.
Hier in diesen Häusern kann ich wenigstens das tun, was ich gerne in einem Museum tun möchte: staunen, mich wundern, mich amüsieren und etwas dazulernen.
Gelernt habe ich unter anderem, dass man mit geerbten Möbeln nicht nachlässig umgehen soll. Was heute im Museum steht, haben wir leichtfertig ausgemustert. Omas Möbel!
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