Die Elbe - wo sie darf, schlängelt und mäandert sie sich durch die Landschaft und dann ist dort auch alles in Ordnung. Hier um die Ecke gibt es das Biosphärenreservat Mittelelbe. Ein herrliches
Fleckchen, das deshalb herrlich ist, weil es ein bisschen unaufgeräumt und unordentlich wirkt. Zwischen den eingedeichten Elbauen darf alles sein, wie es sein will. Der Fluss schlängelt
gutgelaunt, Waldfleckchen finden sich an den Ufern, ebenso wie Wiesen, die einfach Wiesen sein dürfen. Kleine Bäche, über die schmale Brücken führen, überall bizarre Bäume, die die Wiesen
schmücken wie Ausrufezeichen, braungelbes Schilf oder Gras, ich kann das gar nicht unterscheiden, Feuchtwiesen, die nur die Wildgänse betreten können.... und weil es so unordentlich und
unübersichtlich, so menschenleer und besonders ist, finden sich die Tiere wie von selbst ein. Hier leben massenweise - und ich übertreibe nicht - massenweise Kraniche, die man in schönster
Eintracht auf den Wiesen findet mit Wildgänsen und Rotwild. Diese drei Tierarten gemeinsam grasen zu sehen, hat mich gestern so beeindruckt, dass nur noch das besagte Einhorn gefehlt hätte zum
Träumen. Ich wollte wieder hin.
Von der Autobahn aus kann man eine der Wiesen sehen und ich habe im Vorbeifahren die Zahl der Kraniche auf ca. 100 geschätzt. Auf diese Wiese wollte ich zu Fuß. Wir sind auf den schmalen Straßen
durch das Gebiet gefahren, auf der Suche nach einem günstigen Startpunkt. Wir stapften 100 Meter am Feldrand entlang, direkt über uns die Autobahn. Dann bogen wir rechts ab und gingen weiter,
genau zwischen Knick und Acker. Der Schnee war weggetaut und hatte feuchten Lehm zurückgelassen, der sich an unsere Schuhe heftete. Am anderen Ende des Ackers standen die großen Vögel - hellgraue
Silhouetten, die mich den Lehm vergessen ließen. Weiterstapfen, weiterstapfen... die Schuhe wurden schwerer, der Ackersaum machte eine lange Kurve, der wir folgten, die Kraniche schienen nicht
dichter heranzurücken. Wie eine Fata Morgana...wir versuchten ein paar Fotos, hofften auf die Stärke unserer Objektive und stapften schließlich zurück. Ich war froh, es versucht zu haben. Wir
haben sie immerhin gesehen, diese scheuen Vögel, die einen Stammplatz direkt neben der Autobahn gefunden hatten. Eine Autobahn, die dieses Biosphärenreservat direkt durchschneidet...
Wir fuhren weiter und trafen einen Einheimischen, der mit seinem Hund am Rand eines Sees saß. Eine absonderlich erscheinende Freizeitbeschäftigung - einfach am See sitzen und auf Leute warten,
die zum Plaudern vorbeikommen. Ziemlich hoffnungslos in dieser Gegend, aber der Mann hatte Glück, denn wir kamen vorbei und plauderten gerne. Am gegenüberliegenden Ufer stand ein Silberreiher -
schmal und weiß, wieder ein Ausrufezeichen, nur diesmal im Schilf. Manchmal müssen Bilder auch ohne Kamera direkt in den Kopf. All die Biber, die es hier gibt, müssen sogar nur in unserer
Fantasie bleiben. Auch sie noch fotografieren zu wollen, würde im Frust enden. Wir wissen aber, dass es sie gibt und ich habe vorhin gelesen, dass sie ihre Biberburg, die für Besucher einsehbar
war, verlassen haben, um mit ihrem Nachwuchs eine andere Biberburg zu beziehen. Uneinsehbar für die Menschen. Und das hat mich grinsen lassen. Wir müssen nicht alles sehen und uns dran gewöhnen,
dass auch Wildtiere eine Intimsphäre haben.