An die Schönheiten meines Arbeitsweges habe ich mich schon gewöhnt. Hügel, Weiden, Getreidefelder und ein Fluss, über dem im Herbst die Nebelschwaden aufsteigen. Jeden Morgen das Gleiche und doch nicht das Gleiche, denn Jahreszeit und Wetter zaubern verlässlich stets neue Stimmungen und Anblicke. Landschaft in Variationen. Neulich hätte ich mich allerdings fast verbremst. Versteckt hinter dem üblich-üppigen Grün blitzte es mir purpurfarben entgegen. Ich musste mich konzentrieren, nicht in den Graben zu fahren und beschloss, auf der Rückfahrt auf dieses Fleckchen zu achten. Ich schlich also am späten Mittag verkehrsbehindernd die Straße entlang und fand sie wirklich wieder; ein eingezäuntes Stückchen wilder Wiese, fast ausschließlich von zartem, rotem Gras bewachsen. Ich hatte die Farbe leuchtender in Erinnerung....
Am nächsten Morgen fuhr ich wieder langsam und erwartungsvoll aus dem Seitenfenster spähend. Die Farbe leuchtete und glänzte mich an. Eine Morgenwiese also, die ihre Pracht nur dann entfaltete, wenn die Sonne tief stehend und von rechts strahlte. Jeden Morgen freute ich mich auf sie. Jeden Morgen fuhr ich langsam und genussvoll. Jeden Morgen nahm ich mir vor, am nächsten Morgen aber bestimmt anzuhalten und zu fotografieren. An meinem Geburtstag hab ich mir die Wiese dann selbst geschenkt. Anhalten und atemlos fotografieren. Ein paar Tage später hab ich Leo mitgeschleppt. Wir sind über den Zaun gestiegen und eingetaucht in Gluthitze und Purpurfarben. Gott muss berauscht gewesen sein, als er diese Wiese färbte.