Sie hieße Resi, denn dies ist für mich der klassische Name für eine Kuh, auch wenn sie nicht in Bayern lebte. Sie wäre fuchsbraun und hätte glänzende Augen und eine weiche Seele. Natürlich würde
sie auf ihren Namen hören und wenn ich sie leise vom Weidezaun aus rufe, würde sie den Kopf heben, kurz schnaufen und dann auf mich zu getrottet kommen. Sie liebt es nämlich, wenn ich ihr den
Kopf kraule und sie aus der Hand mit Butterblumen füttere. Ihre Wiese ist zwar ganz voll davon, aber sie weiß wahrscheinlich, dass es mir eine Freude macht.
Der gestandene Nachbarlandwirt wäre versiert. Er würde mir zu Resis Babyzeit geraten haben, ihr die Hörner abzusägen und die Stelle aus der sie nachwachsen würden, zu verätzen. Ich hätte
entrüstet abgelehnt und wir beide hätten darauf einen Schnaps getrunken - ob so viel Unverstand meinerseits.
Resi würde sich irgendwann Gesellschaft wünschen und so wird sie ein Kälbchen haben. Ich würde ihr von den schrecklichen Kälberboxen aus Plastik erzählen, in denen heute die meisten Kälber
wochenlang leben müssen, getrennt von der Mutter. Sie wird meine Worte nicht verstehen, aber zufrieden sein, dass sie ihr Kind neben sich hat und dass es bei ihr trinken darf.
Ich würde Resi jeden Tag melken und es würden keine 24 Liter sein, denn diese Menge müssten nur ihre Kolleginnen abliefern. Die Kühe, denen man das Kalb wegnimmt, damit wir immer mehr und immer
mehr Milch bekommen. Resi wäre wohlgenährt und nicht ausgemergelt und wenn sie nach dem Winter wieder auf die Butterblumenwiese darf, würde sie mit ihrem Kind Bocksprünge machen und ich könnte
die beiden lächeln sehen.
Da Resi so wunderschön wäre, würde der Nachbarlandwirt eines Tages vor meiner Tür stehen und mir einen Batzen Geld anbieten. Das Fleisch wäre gut zu verkaufen. Ich böte ihm wieder einen Schnaps
an und er sagte, dass er es hätte wissen müssen.
Ich wünsche mir, dass er sich auch eine Kuh wünscht und nicht bloß einen Stall voll Milchvieh.